Live-Aktion mit Action-Cam über 5 Tage hinweg, zur Dokumentation: Ego-Video (6min/45min) und Fotos, Maße variabel, Hogan Lovells Kunstförderpreis-Ausschreibung, Kunstakademie Düsseldorf und Hogan Lovells Sozietät, 2016
das Trailer-Video gibt’s übrigens auch auf Vimeo!!!
Text: Prof. Robert Fleck
Robert FLECK im Gespräch mit Tomas KLEINER und Marco BIERMANN
F: Ich war ja indirekt ein frühes Opfer Ihrer Arbeit „Kleidertausch“, als Sie sich bei mir im Büro umgezogen haben. (lachen) Mich hat diese Situation schon schwer beeindruckt, vor allem weil man nicht wusste, wann das aufhört. Das hätte ja unendlich weiter gehen können. Und das spürt man. Und in der Büro-Situation konnte ich ja zB. auch nicht weglaufen Ich glaube, ich habe Sie dann auch irgendwie angesprochen damit ich nur irgendwie sehe, ist das jetzt…?
K: Ja, genau. Was wir versuchen, ist Rahmen zu schaffen, in denen wir auch gezielt keinen Anfang und kein Ende haben bzw. in denen wir versuchen sie zu verschleiern – wo wir entweder schon vorher anfangen bevor jemand dazu kommt oder es ein so schleichender Anfang ist das man den Anfang nicht bemerkt. Da haben wir natürlich das Glück das wir so minimalistisch arbeiten, dass man da einen Übergang herleiten kann der sich manchmal erst rückbezüglich wieder erschließt. So wie wenn ich jetzt anfange meine Mütze auszuziehen, dann ist es ja noch ganz normal. Nur irgendwann, wenn ich keine Hose mehr an habe, merkt man plötzlich, „achso – das hat ja schon viel früher angefangen“.
F: Ja genau. Und ähnlich war das ja auch bei Ihrer Arbeit für den Hogan Lovells Kunstförderpreis. Statt ein klassisches Bild oder Objekt abzugeben, haben Sie sich hierfür selbst als Skulptur abgegeben.
B: Ja. Hier stellt sich auch wieder die Frage, wann die Arbeit überhaupt angefangen hat. Sie war in gewisser Weise auf die Leute ausgerichtet, die in diesem ganzen Prozess involviert waren. Einmal diejenigen, die an der Organisation des Wettbewerbs mitgearbeitet haben und gleichzeitig diejenigen, die dort einfach ihren ganz normalen Anwalts-Alltag verbracht haben.
K: Zuallererst haben wir die Arbeit ja schriftlich anmelden müssen. Die Einschränkungen waren dafür ja, dass eine maximal 80kg schwere Skulptur mit den Maßen bis zu 150x70x70cm eingereicht werden durfte. Das mit den 80kg hat bei mir ja gerade noch gepasst, und die Größe haben wir einfach so umgangen, dass ich mich einfach hinsetzen könnte. Daher auch der Titel „Wahrscheinlich sitzend“. Und Material war einfach Mixed Media. Das ist ja klar. Nachdem das angenommen wurde, war es an Frau Sondermann gelegen, die die angemeldeten Arbeiten in der Akademie annehmen sollte. Und hier musste Sie plötzlich ganz unvorbereitet, und an einer ganz merkwürdigen Stelle entscheiden – Geht das, oder ist das nicht zugelassen? Und genauso ging es dann bei den Transportleuten, der Organisatorin von Hogan Lovells, dem Aufbauteam und zuletzt auch bei der Jury. Wir stellen damit eigentlich eher eine Frage, als dass wir eine Antwort geben würden.
B: Genau. Die Frage stellt sich in so einem Kontext irgendwie immer noch, obwohl der Zusammenhang von anderen Künstlern ja auch schon vorgezeichnet wurde. ZB. Von Tim Ulrichs.
K: Gilbert&George und Piero Manzoni.
F: Gegenüber Tim Ulrich, was ich bei Ihnen so schön finde, dass Sie so eine Vorstellung von dem was ein Kunstwerk ist und wie ein Künstler auftritt unterlaufen. Also bei Tim Ulrist ist es natürlich schon sehr narzisstisch. Und das wischen Sie eigentlich weg indem Sie so ganz einfach eben …die erste Geste sieht man ja nicht.. das gleitet so hinein… und das finde ich ist schon eine neue Form. Ein Problem bei der Performance war ja immer, dass wie in einem Programm angekündigt um 20 Uhr ein Künstler auftritt. Deshalb hat Vito Acconci sehr früh gesagt, dass er aus seinen Performances raus gegangen ist und das wären dann seine Installationen – in denen er dann nur noch mit Sound präsent ist. Dadurch, dass Sie Ihre Arbeiten nicht ankündigen, unterlaufen Sie die Schwelle dessen, was man sich im klassischen Sinne unter Kunst vorstellt. Das finde ich einen ganz wichtigen Akt.
…
Das sind ja eig. immer so leicht verschobene soziale Gesten. Also es ist schon immer sozial in dem Sinne, dass es mit dem Miteinander der Menschen zu tun hat. Wenn man das jetzt in ein Schlagwort fasst dann ist es ja auch skulptural, da Sie ja mit Ihren Körpern auftreten und handeln. Das Handeln findet ja durch den Körper statt. Also von daher könnte man sagen es ist eine „Soziale Plastik“, was natürlich so ein Beuys-Stichwort ist.
K: Doch, es hat auf jeden Fall irgendwie damit zu tun. Also es hat sich dahin entwickelt… es ist gar nicht der Plan gewesen: „wir wollen jetzt auch eine Soziale Plastik machen“.
F: Stimmt, aber Sie arbeiten mit einer ganz anderen Formensprache… das hat mit Beuys an sich eigentlich wenig zu tun – also von der Formensprache her.
K: Ja. Wir arbeiten einfach viel mehr im Alltäglichen. Wir sind eigentlich immer auf der Suche nach Rahmen, wie auch bei Hogan Lovells, wo sich plötzlich diese Möglichkeit oben: Videostills aus der Skulptur-GoPro-Ego-Perspektive ergeben hat, wieder ohne eine große Verfremdung des Körpers einfach dort sitzen zu können und Fremdkörper zu sein. Einfach nur weil ich dort sitze und kein Anwalt, ohne mich jetzt noch pink anmalen zu müssen oder eine Griechische Skulptur aufzuführen. Es findet einfach schon so eine Verschiebung statt.
F: Dieses Dasitzen am Boden fand ich einen interessanten Punkt. In so einer Anwaltskanzlei, wo alle so geschniegelt herumlaufen, ist natürlich das herumsitzen am Boden… da merkt man gleich, da ist jetzt irgendwas und es zeugt auch von einem gewissen Müßiggang. Also die sind auf Effizienz ausgerichtet und Sie sitzen halt einfach da.
B: Ansonsten spielt in den Arbeiten Spontanität eine enorme Rolle, die wir uns immer wieder versuchen zu erarbeiten, um sich dann im richtigen Moment, der Arbeit entsprechend verhalten zu können, ohne dabei theatralisch oder fremd zu wirken. Als wäre alles ganz normal. Die meisten Arbeiten trainieren wir im Vorfeld schon sehr oft, oder sprechen sehr viel darüber.
K: So dass es wieder eine „Normalität“ bekommt.
B: Genau- dass das Ungewöhnliche eine Normalität bekommt. Es ist ja für jeden Menschen erstmal eigenartig sich zu jemandem seltsam zu verhalten und dieses Gefühl des Seltsamen müssen wir als Performer insofern ablegen, dass wir es zur Normalität machen und so der Arbeit ihre Form geben. Das ist eine Herausforderung. Bei Hogan Lovells war Tomas „Rolle“ beispielsweise für alle Beteiligten irgendwie total verunklärt, weil man nicht wusste in welcher Weise man sich zu ihm verhalten sollte. Tomas hat da was Eigenes reingebracht. Keiner hat mit ihm in dieser Form gerechnet. Alle haben dann getastet wie sie sich zu ihm verhalten könnten und alle waren ein wenig kribbelig und gleichzeitig ist dabei auch diese soziale Komponente entstanden, dass man sich dann auch um ihn gesorgt hat und ihn auch verpflegt hat.
F: Ach wirklich?
K: Besonders die Sekretärinnen kamen immer wieder „ach- hier ist noch Essen übrig –kommen sie doch hoch. Und das Gulasch war wirklich lecker“. (allgemeines Lachen) Letztendlich habe ich ja vier Tage mit den Sekretärinnen dort verbracht und dabei auch eine Verbindung zu Ihnen aufgebaut.
B: Das Kunstwerk hat dann schon fast mit der Ausstellung geendet, weil es dann sozusagen abgeschlossen war. Es war interessant solange es noch veränderbar war.